Im Auftrag des BMBWF erstellte die „Scientific Concept Group“ einen ausführlichen Bericht über die Visionen sowie operative und strategische Empfehlungen für die neue Technische Universität für Digitalisierung und Digitale Transformation in Oberösterreich.

Als Autoren werden in der Studie pauschal die Mitglieder der „Scientific Concept Group“ genannt – ohne zu erläutern, wer diese Mitglieder konkret waren bzw sind. Den Vorsitz führte jedenfalls der IT-Experte und ehemaligen Google-Manager Gerhard Eschelbeck.

Aus Sicht der wissenschaftlichen Konzeptgruppe sollten die folgenden Prinzipien die Konzeption, die Entwicklung und die Umsetzung der Technischen Universität leiten:

Wichtigste Grundsätze


1. Eine breite Perspektive auf Digitalisierung und digitale Transformation:
Die Digitalisierung verknüpft Technik mit vielen anderen Bereichen unseres beruflichen und privaten Lebens. Aufbauend auf einem digitalen technischen Kern soll die Technische Universität die Anwendung, die Auswirkungen und das Potenzial digitaler Lösungen in den Mittelpunkt von Lehre und Forschung stellen und einen Beitrag zu Österreichs technologischer Souveränität in der digitalen Transformation leisten.

2. Interdisziplinarität:
Um die Digitalisierung in Lehre und Forschung wirklich verstehen zu können, überwindet die Technische Universität die traditionellen, disziplinären Grenzen. Die Angehörigen der Technischen Universität denken und arbeiten in allen Bereichen interdisziplinär. Ausgehend vom Grundkurs „Common Core“ im Bachelor-Studium bilden Studierende, Wissenschaftler:innen und externe Expert:innen eine interdisziplinäre Forschungsgemeinschaft. Die Forschungsgebiete der Technischen Universität erstrecken sich über alle Bereiche, die für digitalisierte Organisationen und eine digitalisierte Gesellschaft relevant sind.

3. Missionsorientierung:
Technologischer Fortschritt ist kein Selbstzweck, sondern Digitalisierung soll als mächtiges Werkzeug genutzt werden, um die großen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen. Deshalb sind Lehre, Forschung und die Interaktion mit Wirtschaft und Gesellschaft an der Technischen Universität auf breitere gesellschaftliche Missionen (die Österreich und Europa verfolgen wollen) ausgerichtet. In diesem Zusammenhang will die Technische Universität auch das so genannte „Europäische Paradoxon“ überwinden, d. h. das vermeintliche Versagen der europäischen Länder bei der Umsetzung wissenschaftlicher Fortschritte in marktfähige Innovationen und gesellschaftlichen Nutzen. Die Technische Universität wird neue Wege beschreiten, um Europa noch stärker in die Lage zu versetzen, den digitalen Wandel zu gestalten und sein Know-how in Produkte und Dienstleistungen umzusetzen. Daher wird der Erfolg der neuen Technischen Universität nicht nur an ihrer wissenschaftlichen Exzellenz, sondern insbesondere auch aufgrund ihrer Kooperationen, ihrer Leistungen im Wissenstransfer und dem Ausmaß der gesellschaftlichen Öffnung gemessen.
Mit diesem neuen Ansatz und den neuen Kompetenzen der Absolvent:innen wird die Technische Universität die Wirtschaft in Oberösterreich, Österreich und Europa durch innovative Prozesse und Technologien nachhaltig stärken, insbesondere durch die Verbindung neuester wissenschaftlicher Forschungsergebnisse der digitalen Transformation mit den Ingenieurwissenschaften.

4. Neue Zielgruppen ansprechen:
Heute nutzt praktisch jeder Mensch digitale Technologien. Doch nur wenige Personen entscheiden sich für ein technisches Studium. Indem sie die Anwendung in den Vordergrund stellt und die Digi65
talisierung als Mittel zum Zweck positioniert, wird die Technische Universität Schüler:innen mit neuen Ansätzen und Methoden für die Digitalisierung begeistern und Absolvent:innen von weiterführenden Schulen zu technikorientierte Studiengänge anregen. Im Bereich der Zusammenarbeit mit Wirtschaft und Gesellschaft wird die Technische Universität Brücken bauen und neue Dialogplattformen erschließen. Auf diese Weise kann die Technische Universität nicht nur einen breiteren Kreis von Studieninteressierten ansprechen, sondern ergänzt auch andere (etablierte) Technische Universitäten, anstatt mit ihnen in Konkurrenz zu treten.

5. Common Core und praxisorientierte Lehre:
Vom ersten Tag an sind die Studierenden in reale Projekte eingebunden. Sie lernen in einem „Common Core“-Modul über drei Semester die Grundlagen der Digitalisierung und der digitalen Transformation und vertiefen danach ihr Wissen in spezifischen Bereichen. Darüber hinaus erlernen sie in kleinen Projektgruppen Zukunftskompetenzen und stärken ihre Kreativität. Bei all dem kommen moderne Lehr- und Lernmethoden in interdisziplinären Labs zum Einsatz.

6. Twin transition:
Unsere Gesellschaft steht derzeit vor zwei großen Transformationsprozessen: der digitalen und der ökologischen Transformation. Nach dem Prinzip „digital first“ erwerben die Studierenden technologische Grundkompetenzen, die sie in Folge mit Wissen in den Bereichen Nachhaltigkeit, Technik und Unternehmertum kombinieren und anreichen. So wird die transformative Dimension der Digitalisierung mit der Bewältigung technologischer, sozialer und ökologischer Herausforderungen verknüpft.

7. Netzwerk und Partnerschaften:
Die Technische Universität wird als komplementäre Ergänzung zur österreichischen Wissenschaftslandschaft gegründet und soll einen Inkubator für Synergien und Chancen darstellen. Dies erfordert ein enges Netzwerk von Partner:innen innerhalb und außerhalb der Technischen Universität. Dazu gehören selbstverständlich auch andere (österreichische und internationale) Universitäten sowie Forschungseinrichtungen, Unternehmen, NGOs etc. Die Technische Universität versteht sich als Drehscheibe und Initiatorin von Kooperationen und Wissenstransfer. Die Kapitalisierung von Wissen durch Start-ups wird praktisch unterstützt und der Zugang zu wichtigen Kapitalmarktnetzwerken ermöglicht.

8. Diversität und Internationalität:
Diversität bereichert uns. Die Technische Universität ist in Oberösterreich verwurzelt, aber ihr Netzwerk reicht in die Welt hinaus. Internationalität wird in allen Bereichen gelebt, Englisch ist die Arbeitssprache. Die Fakultät ist heterogen, ebenso die Studierenden, sowohl was ihre Herkunft als auch ihre Interessen betrifft. Diese Mischung macht die Technische Universität auch für breitere Zielgruppen attraktiv.

9. Flexibilität und agile Strukturen:
Die Digitalisierung bringt ein hohes Maß an Dynamik mit sich. Will die Technische Universität in diesem Kontext am Puls der Zeit bleiben, muss sie sich schnell anpassen können. Sie braucht flexible und schlanke Strukturen, flache Hierarchien, wenige Regeln, schnelle Entscheidungen und eine effektive Forschungsunterstützung, nach dem Motto: „Don’t kill speed!“.

10. Open Mindset:
Der kritische Erfolgsfaktor des gesamten Konzepts sind die Lehrenden. Gerade in der ersten Phase wird viel davon abhängen, ob es gelingt, die „richtigen“ Leute für die Technische Universität zu gewinnen. Es werden Forscher:innen, Visionär:innen, Brückenbauer:innen und Gestalter:innen des digitalen Wandels gebraucht – Menschen mit einer offenen Geisteshaltung, die sich für Innovationen in der Hochschulbildung und in der Forschung begeistern.

BMBWF, University of Technology for Digitalisation and Digital Transformation in Upper Austria (2022) 64f.

Aus juristischer Sicht besonders spannend sind die Ergebnisse der „Working Group Law“ in Appendix 2 des Berichts. Den Vorschlägen zufolge soll die Technische Universität zwar als staatliche Universität auf Grundlage von Art 81c B-VG als juristische Person des öffentlichen Rechts errichtet werden, allerdings außerhalb des Geltungsbereichs des Universitätsgesetzes 2002 (UG), dh mit einem eigenen Materiengesetz. Unterschiede zu den staatlichen Universitäten gemäß UG werden insbesondere in den Bereichen Organisation, Studienrecht, Finanzierung und Dienstrecht vorgeschlagen:

  • Organisation:
    • „lean and efficient system of university management and academic self-administration“
    • Anstatt der obersten Organe Rektor*in/Rektorat, Senat und Universitätsrat ist ein Rektorat, ein Supervisory Board und ein Scientific Board vorgesehen.
    • „Faculty-model“
    • „Agile structure (no institutes etc.) with flexible units for teaching and research“
  • Studienrecht:
    • privatrechtliche Ausgestaltung des „law governing matters of study“ nach dem Vorbild der Fachhochschulen und Privathochschulen/-universitäten
    • „The provisions of the law governing matters of study are to be kept to a minimum.“
  • Finanzierung:
    • noch offener Punkt, voraussichtlich Art 15a-Vereinbarung
  • Dienstrecht:
    • keine Geltung des Kollektivvertrags für Universitäten
    • Schaffung einer GmbH zur Abdeckung aller administrativen Prozesse, geleitet von einem „managing director/administrative director of the university“

Den gesamten Bericht findet man auf der Website des BMBWF zum Download.

Auf der Website des BMBWF findet man auch einen guten Überblick über alle bisher vorhandenen Informationen zur neuen TU.