Mit Beschluss vom 10.12.2020 (V 460/2020-12) hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) von Amts wegen eine Prüfung der Verfassungsmäßigkeit einzelner Bestimmungen des Hochschul-Qualitätssicherungsgesetzes (HS-QSG) betreffend die externe Qualitätssicherung durch das Board der Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria eingeleitet:

Gemäß Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. b B-VG wird die Verfassungsmäßigkeit des § 1 Abs.2 Z 2, 3 und 4, der Zeichen-und Wortfolge „-und Akkreditierungs“ in § 3 Abs. 3 Z 1, des § 3 Abs. 3 Z 2 und 5, der Wortfolge „über Akkreditierung von Bildungseinrichtungen und Studien oder“ in § 9 Abs. 1 Z 1, des § 9 Abs. 1 Z 4 und 12, des § 9 Abs. 2, des § 19 Abs. 3 und des § 26 des Bundesgesetzes über die externe Qualitätssicherung im Hochschulwesen und die Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria (Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz –HS-QSG), BGBl. I Nr. 74/2011, sowie des § 24 HS-QSG, BGBl. I Nr. 74/2011, idF BGBl. I Nr. 129/2017 und des § 25 HS-QSG, BGBl. I Nr. 74/2011, idF BGBl. I Nr. 79/2013 von Amts wegen geprüft.

Ausgangspunkt war eine Entscheidung des Boards der AQ Austria vom September 2019, die Verlängerung der institutionellen Akkreditierung einer Privatuniversität nur unter Auflagen zu genehmigen. Die betroffene Privatuniversität bekämpfte den Bescheid vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit der Begründung der Unbestimmtheit der Auflagen, der Gesetzwidrigkeit der festgesetzten Fristen zur Auflagenerfüllung und der Rechtswidrigkeit einzelner Bestimmungen des HS-QSG sowie der auf ihrer Grundlage erlassenen Privatuniversitäten-Akkreditierungsverordnung (PU-AkKVO).

Das BVwG teilte die Einschätzung der Privatuniversität und hegte ua Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnungsbestimmungen, weshalb es einen Verordnungsprüfungsantrag nach Art. 139 Abs. 1 Z 1 B-VG an den VfGH stellte. Bei der Behandlung des Antrages des BVwG entstanden im VfGH Bedenken ob der Verfassungsmäßikeit der in Prüfung gezogenen Bestimmungen des HS-QSG:

Das Bundesverwaltungsgericht macht mit näherer Begründung unter anderem geltend, dass den angefochtenen Bestimmungen die im Lichte der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 16.995/2003) erforderliche spezielle gesetzliche Ermächtigung fehle. Bei der Beurteilung dieser Frage dürfte der Verfassungsgerichtshof sowohl § 24 Abs. 6 HS-QSG als auch die damit in einem Regelungszusammenhang stehenden sonstigen Bestimmungen des HS-QSG, die sich auf die Tätigkeit der AQ Austria zur Akkreditierung von Studien- und Bildungseinrichtungen beziehen, anzuwenden haben. (…)

Insbesondere scheint es dem Verfassungsgerichtshof vorläufig fraglich zu sein, ob der in Art. 20 Abs. 2 Z 1 B-VG geregelte Tatbestand der „sachverständigen Prüfung“ auf die Durchführung von Akkreditierungsverfahren der AQ Austria übertragen werden kann, dürfte § 24 HS-QSG insbesondere mit der institutionellen Akkreditierung doch auch Prüfbereiche der Organisation der Privatuniversität in die Voraussetzungen für eine Akkreditierung miteinbeziehen, die im Sinne einer institutionellen Gewährleistung akademischer Freiheit und Selbstbestimmung auch Aspekte der Durchsetzung bestimmter Gewährleistungsanforderungen der Wissenschaftsfreiheit miteinschließen, die nicht auf sachverständige Qualitätsbeurteilung von Forschung und Lehre, sondern auf staatliche Gewährleistung entsprechender Forschungs- und Lehrfreiheit abzielen. (…)

Schließlich hegt der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, dass die spezielle Verordnungsermächtigung des § 24 Abs. 6 HS-QSG an die AQ Austria in unzulässiger Weise in die Leitungsbefugnis oberster Organe eingreifen und in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise die AQ Austria dazu ermächtigen dürfte, durch Verordnung ihren eigenen Prüfungsmaßstab im Akkreditierungsverfahren festzulegen (vgl. zu Kollegialbehörden VfSlg. 17.961/2006).

VfGH, Prüfungsbeschluss V 460/2020-12 vom 10.12.2020

Die Entscheidung des VfGH überrascht inhaltlich nicht wirklich: Die gesetzliche Ausgestaltung der AQ Austria im HS-QSG als einem Hybrid mit gleichzeitigen Qualitätssicherungs- und Behördenfunktionen wurde in der einschlägigen Literatur schon länger kritisch gesehen.[1] Auch die rechtlichen Bedenken hinsichtlich der Verordnungsermächtigung des Boards der AQ Austria sind nicht neu; so hatte der BKA-Verfassungsdienst etwa im Zuge des Stellungnahmeverfahrens zum Privathochschulgesetz (PrivHG) erst kürzlich erneut darauf hingewiesen, dass es im Lichte des demokratischen Bauprinzips verfassungsrechtlich bedenklich sei, die Schaffung genereller Normen unabhängigen Organen zu übertragen, die nicht der parlamentarischen Kontrolle unterliegen.[2]

Es ist zu erwarten, dass der VfGH seiner Einschätzung im Prüfungsbeschluss folgt und die zitierten Gesetzesbestimmungen aufhebt. Welche Maßnahmen der Gesetzgeber im Anschluss daran setzen wird, um einen gesetzmäßigen Zustand wiederherzustellen, bleibt abzuwarten – es ist jedoch mit deutlichen Veränderungen im Kompetenzgefüge zwischen Bundesminister*in und AQ Austria zu rechnen.


[1] Vgl Huber, § 27 HS-QSG: Ein Ende mit Schrecken? N@HZ 2018, 51 (53).

[2] S dazu die umfangreiche Stellungnahme des Verfassungsdienstes im BKA, 65/SN-21/ME 27. GP, 3 unter Hinweis auf VfSlg 17.961/2006 und 20.235/2018.