1. Dienst- und Fachaufsicht als Teil der Staatsaufsicht

Aus dem demokratischen Grundprinzip des Art 1 B-VG ergibt sich das Gebot einer hierarchisch organisierten Verwaltung.[1] Gemäß Art 20 Abs 1 B-VG führen unter der Leitung der obersten Organe des Bundes (die/der Bundespräsident*in, die/der Bundeskanzler*in, die Bundesminister*innen[2] und Staatssekretär*innen) und der Länder (Landesregierungen) nach den Bestimmungen der Gesetze auf Zeit gewählte Organe, ernannte berufsmäßige Organe oder vertraglich bestellte Organe die Verwaltung. Sie sind den ihnen vorgesetzten Organen für ihre amtliche Tätigkeit verantwortlich und an deren Weisungen gebunden. Sowohl Dienst- als auch Fachaufsicht sind Teile der Leitungsbefugnis der obersten Organe bzw. der Staatsaufsicht[3] als „staatliche Tätigkeit gegenüber nachgeordneten Verwaltungsträgern des öffentlichen Rechts.“[4]

Universitäten[5] sind juristische Personen des öffentlichen Rechts und damit Teil der öffentlichen Verwaltung; sie agieren teils hoheitlich, teils privatwirtschaftlich. als mittels Bundesgesetz eingerichtete juristische Personen unterliegen die staatlichen Universitäten der Rechtsaufsicht des Bundes (§ 9 UG) bzw der/des zuständigen Bundesministerin/-ministers (§ 144 Z 9 UG). (Staatliche) Universitäten sind selbstverwaltungsähnliche Einrichtungen, welchen auf Grundlage von Art 81c B‑VG eine Art von „Organselbstverwaltung“ zukommt.[8] Im Gegensatz zu echten territorialen (Gemeinden)[9] und nicht-territorialen Selbstverwaltungskörpern (zB Kammern, Österreichische HochschülerInnenschaft, Sozialversicherungsträger)[10] vertreten Universitäten vorrangig Interessen der Allgemeinheit und nicht (nur) ihrer Angehörigen.[11]

„Mit Ausgliederungen ist die Lockerung der Beziehung zu den demokratisch legitimierten obersten Staatsorganen verbunden. Jede Ausgliederung reduziert deren Leitungsbefugnis und Verantwortung, beendet die Möglichkeit, Weisungen iSd Art 20 Abs 1 B-VG zu erteilen, die Dienst- und Fachaufsicht auszuüben und reduziert je nach Rechtsform der Ausgliederung auch die Kontrolle durch das Parlament.“[12]

Als Ausgleich des Fehlens des unmittelbaren Legitimationszusammenhanges wird angenommen, dass der einfache Gesetzgeber für ein „angemessenes Aufsichtsrecht“ über weisungsfreie Behörden zu sorgen hat, was insbesondere die Normierung von Auskunfts- und auch Abberufungsrechten erforderlich macht.

Materiellrechtliche Vorgaben für das Verwaltungshandeln können nur nach Maßgabe des Innenrechts der jeweiligen Verwaltungsorganisation umgesetzt werden. Das Innerorganisationsrecht betrifft die inneren Verhältnisse der Organisation zwischen den Organwaltern, den Organen und der Organisation selbst. Im einzelnen kann unterschieden werden in: das Rechtsverhältnis zwischen Organisation und Organ, Organisation und Organwalter, Organ und Organwalter und das Verhältnis der Organe untereinander. Gegenstand ist die innere Organisation und der Dienstbetrieb einer Behörde. Da sie aber regelmäßig im Rahmen von Weisungsverhältnissen gegenüber nachgeordneten Behörden erlassen werden, spielen sie im Innerorganisationsrecht der Körperschaft des öffentlichen Rechts vor allem im Bereich der Vollzugsorganisation und der Fachaufsicht über die Körperschaft eine Rolle. Inhaltlich kann das Innerorganisationsrecht in das Recht der Aufbauorganisation, der Koordinierungsregeln und der Stellenverteilung und des innerorganisatorischen Verfahrensrechts gegliedert werden.[13]

Die Trennung zwischen Dienst- und Fachaufsicht ist ein Spezifikum der öffentlichen Verwaltung:[15] Während sich die Dienstaufsicht auf die Leiterin bzw den Leiter eines Amtes[16] und die ihr bzw ihm zur Dienstverrichtung zugewiesenen Mitarbeiterinnen bzw Mitarbeiter erstreckt und zusammenfassend die Pflichterfüllung[17] der zugewiesenen Beamtinnen bzw Beamten und Vertragsbediensteten sicherstellen soll, bezieht sich die Fachaufsicht[18] auf Fragen der Organisation und Abläufe wie auch auf sämtliche inhaltliche Aspekte der Tätigkeit.[19]

  1. Definition(en) von Dienst- und Fachaufsicht

Die Dienstaufsicht ist gekennzeichnet durch „die personalrechtliche Aufsicht und Beobachtung der Pflichterfüllung der MitarbeiterInnen“, die Fachaufsicht kontrolliert, „ob die MitarbeiterInnen ihrer dienstlichen Funktion auf fachlicher Ebene nachkommen“.[20]

Im allgemeinen Verwaltungsrecht wird im Hinblick auf die „normale Verwaltung, dh soweit die Verwaltungsführung in Ressortzusammenhängen den Inhalt der Dienstpflichten von öffentlich Bediensteten bildet, […] herkömmlich zwischen der Fachaufsicht und der Dienstaufsicht unterschieden. Die Dienstaufsicht ist personenbezogen, die Fachaufsicht ist fachbezogen.“[21]

„Unter Fachaufsicht ist die Wahrnehmung des Anordnungs- oder Weisungsrechts gegenüber untergeordneten Stelleninhabern durch den unmittelbar übergeordneten Stelleninhaber;
unter Dienstaufsicht die Kontrolle der Aufgabenerfüllung unter Bedachtnahme auf die festgelegten Ziele sowie die Überwachung der Einhaltung der allgemeinen Dienstpflichten zu verstehen.“ [22]

  1. Dienst- und Fachaufsicht an staatlichen Universitäten

Obwohl staatliche Universitäten Teil der öffentlichen Verwaltung sind, ist es ihnen möglich, Privatangestellte zu beschäftigen. Die Personalstruktur gleicht sich und besteht in beiden Fällen aus einem „Altbestand“ von Beamt*innen und Vertragsbediensteten, und ab einem Stichtag (1.10.2002)[23] konnte neues Personal nur mehr mittels privatrechtlicher Verträge aufgenommen werden.

Da die Universitäten Teil der Bundesverwaltung sind, wird das Konzept der Dienst- und Fachaufsicht ungeachtet der dienstrechtlichen Einordnung gleichermaßen auf alle Mitarbeiter*innen angewandt. Detailregelungen dazu finden sich regelmäßig in den Organisationsplänen der Universitäten (§ 20 Abs 4 UG). Der Organisationsplan ist das wichtigste Instrument zur Gestaltung der inneren Universitätsorganisation[25] – in ihm werden ua Organisationseinheiten eingerichtet, Aufgaben zu Organisationseinheiten zugeteilt und Regelungen zur Bestellung und Abberufung der Leiter*innen von Organisationseinheiten normiert.

Bis zum Inkrafttreten des UG mit 1.1.2004 kannten die staatlichen Universitäten die Funktion der Universitätsdirektorin/des Universitätsdirektors als Leiter*in der zentralen Verwaltung.[26] Auf Grundlage von § 76 Abs 3 UOG 1993 wurde ihr/ihm regelmäßig die Dienst- und Fachaufsicht für die Abteilungen bzw Organisationseiheiten der Zentralen Verwaltung übertragen.[27] Auch wenn das Konzept der Universitätsdirektorin/des Universitätsdirektors mit Inkrafttreten des UG grundsätzlich aufgegeben wurde, bleibt das System der Dienst- und Fachaufsicht weiterhin unverändert anwendbar. Durch die Organisationsautonomie des UG lösten viele Universitäten die zentrale Verwaltung auf und gingen zu differenzierten Zuständigkeiten im Rahmen der Geschäftsordnungen der Rektorate über.

Außerhalb der staatlichen Universitäten finden sich Regelungen zur Dienst- und Fachaufsicht etwa auch an der Donau-Universität Krems[28] und an der Gustav Mahler Privatuniversität;[29] für die Akkreditierungsbehörde AQ Austria ist die Dienst- und Fachaufsicht ausdrücklich gesetzlich (§ 33 Abs 3 HS-QSG).[30]


[1] Vgl B. Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht4 (2013) Rz 353.

[2] Vgl dazu Anlage zu § 2 Bundesministeriengesetz 1986, BGBl 76/1986 idgF, Teil 1:
„8. Wahrnehmung des Leitungs- und Weisungsrechtes (Art. 20 Abs. 1 B-VG) gegenüber allen nachgeordneten Verwaltungsbehörden, Ämtern und sonstigen Verwaltungseinrichtungen, die Aufgaben auf Sachgebieten besorgen, die nach dem Teil 2 dem Bundesministerium zur Besorgung zugewiesen sind (Fachaufsicht).
9. Wahrnehmung der Dienstaufsicht (§ 4) gegenüber den Verwaltungsbehörden, Ämtern und sonstigen Verwaltungseinrichtungen des Ressortbereiches.“

[3] Näherhin B. Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht4, Rz 363.

[4] Gallas, Die Staatsaufsicht über die wissenschaftlichen Hochschulen (1976), 25.

[5] § 4 Universitätsgesetz 2002, BGBl I 120/2002 idgF, im Folgenden kurz: UG.

[6] § 1 Landesgesetz über die Rechtsstellung des Bruckner-Konservatoriums zum Betrieb einer Privatuniversität, LGBl 14/2003.

[7] § 14 Abs. 1 Landesgesetz über die Rechtsstellung des Bruckner-Konservatoriums zum Betrieb einer Privatuniversität.

[8] Ausführlich dazu Berka, Universitätsautonomie, akademische Selbstverwaltung und Universitätsgesetz, zfhr 2002, 78 (81 f).

[9] Art 115 bis 120 B-VG.

[10] Seit 2008 explizit im Kerntext der Bundesverfassung (Art 120a bis 120c B VG) verankert. S dazu umfassend Eberhard, Nichtteritoriale Selbstverwaltung (2014).

[11] Vgl Faulhammer, § 2 UG, in: Perthold-Stoitzner (Hrsg), Kommentar zum Universitätsgesetz 20023 (2016) Rz 4.

[12] Volksanwaltschaft, Weiterentwicklung der Volksanwaltschaft, http://www.konvent.gv.at/K/DE/AVORL-K/AVORL-K_00396/fnameorig_018226.html (24.3.2020).

[13] Kirste, Theorie der Körperschaft öffentlichen Rechts (2017) 377 f mwN.

[14] Dienstbetriebsordnung für die oö. Landeskultureinrichtungen (Kulturinstitute) (DBO-K), gültige Fassung ab 18. 11. 2013, https://mitarbeiterportal.ooe.gv.at/intranet/Mediendateien/Abt_K/DBO-K_2013_gen_Fassung.pdf (06.05.2020).

[15] S zur Dienst- und Fachaufsicht der öffentlichen Bediensteten Hartmann, Das Personal der Verwaltung, in: Holzinger/Oberndorfer/Raschauer (Hg), Österreichische Verwaltungslehre3 (2013) 321 (347 ff).

[16] Art 21 Abs 3, Art 77 B-VG.

[17] Dies umfasst insb eine effiziente Verwaltungsführung, Gehorsam, Einhaltung von Verschwiegenheitsverpflichtungen und dgl. Vgl N. Raschauer, Aufsicht, Kontrolle und parlamentarische Verantwortung in der „Agency-Verwaltung“, SPRW 2015, 74 (76).

[18] Art 20 Abs 1 B-VG.

[19] So B. Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht4, Rz 367. Zu den im Einzelfall schwierigen Abgrenzungsfragen zwischen Fach- und Dienstaufsicht vgl etwa Barfuß, Die Weisung (1967) 23; Pesendorfer, Der innere Dienstbetrieb im Amt der Landesregierung (1981) 53 f; Kucsko-Stadlmayer, Legalitätsprinzip und Weisungsgebundenheit der Beamten, in: Walter/Jabloner (Hg), Strukturprobleme des öffentlichen Rechts, GedS Ringhofer (1995) 77 (84 f).

[20] Ludwig Boltzmann Institut (Hrsg), Unterstützungssysteme in, für und um die Schule (2015) 35 f.

[21] B. Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht4, Rz 363.

[22] https://www.uni-salzburg.at/fileadmin/oracle_file_imports/513459.DOC

[23] § 108 iVm § 143 Abs 1 UG.

[24] § 8 Abs 1 iVm § 22 Landesgesetz über die Rechtsstellung des Bruckner-Konservatoriums zum Betrieb einer Privatuniversität.

[25] Perthold-Stoitzner, § 20 UG, in: Perthold-Stoitzner (Hrsg), Kommentar zum Universitätsgesetz 20023 (2016) Rz 6.

[26] § 76 Abs 2 Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten (UOG 1993), BGBl 805/1993, aufgehoben durch BGBl I 120/2002.

[27] Als Beispiele: https://mibla-archiv.tugraz.at/96_97/1-5-4-4.html

[28] § 9 Abs 3 des Organisationsplans, https://www.donau-uni.ac.at/dam/jcr:f58eff19-f719-4a5f-a98e-b40e6876000c/duk_mb_7911.pdf (07.05.2020): „Die Leiterin oder der Leiter des Departments übt ihre oder seine Befugnisse im Rahmen der Vollmacht aus. Sie oder er hat den Dienstbetrieb zu organisieren und übt die Dienstaufsicht über das dem Department zugeordnete Personal aus.“

[29] „Die Vizerektorin/der Vizerektor hat die Fachaufsicht über die Lehre, das Qualitätsmanagement sowie nationale und internationale Kooperationen.“ https://www.gmpu.ac.at/universitaet/rektorat/vizerektorat

[30] S dazu Grimberger, §§ 33-34 HS-QSG, in: Hauser/Schweighofer (Hrsg), Kommentar zum Fachhochschul-Studiengesetz (2018) Rz 5 f.