Internationale Entwicklungen und österreichische Einordnung
In den letzten Jahren sind Diversity, Equity and Inclusion-Programme (DEI) an Hochschulen – insbesondere in den USA – verstärkt Gegenstand rechtlicher und politischer Auseinandersetzungen geworden. Auslöser dieser Entwicklung ist vor allem die Rechtsprechung des Supreme Court of the United States, die bestehende Konzepte der affirmativen Förderung („Affirmative Action“) neu bewertet und deren Vereinbarkeit mit dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz restriktiv auslegt.
Mit dem Urteil Students for Fair Admissions v. Harvard (2023) erklärte der Supreme Court rassebezogene Zulassungskriterien an Hochschulen für verfassungswidrig, soweit diese nicht den strengen Anforderungen des Gleichheitssatzes des Fourteenth Amendment genügen . Dieses Judikat wirkt weit über das Zulassungsrecht hinaus und bildet den rechtlichen Referenzrahmen für legislative Initiativen zahlreicher US-Bundesstaaten, die DEI-Programme an öffentlichen Hochschulen einschränken oder untersagen. In der Folge wurden Gesetze erlassen, die ua die Finanzierung von DEI-Strukturen untersagen, Diversity-Statements in Berufungs- und Einstellungsverfahren verbieten oder verpflichtende Schulungen einschränken. Parallel dazu leitete das U.S. Department of Education unter Berufung auf Title VI des Civil Rights Act Untersuchungen gegen Hochschulen ein, deren Förderprogramme als potenziell diskriminierend eingestuft wurden. Die Debatte verdeutlicht ein grundlegendes Spannungsverhältnis zwischen formaler Gleichbehandlung und zielgerichteten Gleichstellungsmaßnahmen.
Am 20. Januar 2025 erließ die Regierung unter Präsident Donald Trump zwei Durchführungsverordnungen, die einen weiteren Wendepunkt in der bundesstaatlichen DEI-Politik markieren. Mit Executive Order 14168 wurde eine Bundespolitik festgelegt, die ausschließlich zwei biologische Geschlechter anerkennt und damit die bisherige bundesrechtliche Anerkennung von Transgender-Identitäten faktisch aufhob. Parallel dazu zielte Executive Order 14151 auf den systematischen Abbau von DEI-Strukturen innerhalb der Bundesverwaltung ab, einschließlich der Auflösung entsprechender Organisationseinheiten und der Beendigung DEI-bezogener Fördermaßnahmen. Besondere rechtliche Relevanz entfaltet diese zweite Verordnung durch ihre mittelbare Wirkung auf Hochschulen: Bundesauftragnehmerinnen und Empfängerinnen von Fördermitteln – darunter Universitäten und Forschungseinrichtungen – müssen bestätigen, keine DEI-Programme durchzuführen, die als unvereinbar mit Antidiskriminierungsrecht eingestuft werden könnten. Damit werden die bundespolitischen Anti-DEI-Vorgaben über finanzierungsrechtliche Instrumente auf den Wissenschaftsbereich ausgeweitet und verstärken den regulatorischen Druck auf Hochschulen erheblich (zu den rechtlichen Herausforderungen und institutionelle Reaktionen s Zippel, Abbau von Diversity: Autoritäre Gegenreaktionen gegen Universitäten in den USA, CEWS/journal 2025/02, 12 [14], https://www.gesis.org/fileadmin/cews/www/CEWSjournal/CEWSJournal_2025-02.pdf).
Österreichische Perspektive
Im österreichischen Hochschulrecht stellt sich die Ausgangslage differenziert, aber insgesamt deutlich stabiler dar. Das verfassungsgesetzliche Gleichheitsgebot des Art 7 B-VG verbietet unsachliche Differenzierungen, erlaubt jedoch sachlich gerechtfertigte Maßnahmen zur Förderung faktischer Gleichstellung. Diese Logik findet sich konsistent in den einfachgesetzlichen Rechtsgrundlagen der einzelnen Hochschulsektoren:
Universitätsgesetz 2002 (UG)
- § 2 UG – Leitende Grundsätze: „Gleichstellung der Geschlechter“
- § 19 Abs. 2 Z 6 UG – Aufgaben des Rektorats: Sicherstellung der Gleichstellung von Frauen und Männern sowie der Frauenförderung.
- § 41 UG – Frauenfördergebot: Verpflichtung zur Erstellung von Frauenförderungsplänen, Maßnahmen zur Beseitigung bestehender Unterrepräsentanzen, institutionelle Verankerung von Gleichstellung.
Fachhochschulgesetz (FHG)
- § 2 Abs. 5 FHG – Grundsätze: „Die Erhalter haben die Gleichstellung der Geschlechter und die ausgeglichene Repräsentanz der Geschlechter in allen Positionen und Funktionen zu beachten.“
- § 8 Abs 2 Z 1 FHG – Akkreditierungsvoraussetzungen: Gleichstellungsmaßnahmen als verpflichtender Teil des Entwicklungsplans.
Hochschulgesetz 2005 (HG) – Pädagogische Hochschulen
- § 9 Abs. 6 Z 12 HG – Grundsätze: „Gleichbehandlung und Gleichstellung der Geschlechter“
- § 21 Abs. 1 HG – Gleichstellung der Geschlechter: „Alle Organe der Pädagogischen Hochschule haben darauf hinzuwirken, dass in allen Arbeitsbereichen ein ausgewogenes Zahlenverhältnis zwischen den an der Pädagogischen Hochschule tätigen Frauen und Männern erreicht wird. Die Erreichung dieses Ziels ist durch geeignete Maßnahmen, insbesondere durch die Erlassung und Umsetzung eines Frauenförderungsplans, anzustreben.“
- § 28 Abs. 2 Z 5 HG: Gleichstellungsplan als verpflichtender Teil der Satzung.
Privathochschulgesetz (PrivHG)
- § 2 Abs. 1. Z 2 PrivHG – Akkreditierungsvoraussetzungen: Gleichstellungsmaßnahmen als verpflichtender Teil des Entwicklungsplans.
- § 5 PrivHG – Organisation und Personal: Verpflichtung zur Verankerung eines Gleichstellungsplans in der Satzung (Abs. 2 Z 3), ausgeglichene Repräsentanz der Geschlechter in allen Positionen und Funktionen (Abs. 5).
Alle genannten Hochschultypen sind ausdrücklich zur Gleichstellung, Antidiskriminierung und zur Förderung eines inklusiven Hochschulumfelds verpflichtet. Im Unterschied zum früheren System der „Affirmative Action“ in den USA beschränken sich diese gesetzlichen Ermächtigungen zur bewussten Bevorzugung gewisser Gruppen großteils auf das Merkmal des Geschlechts; andere Merkmale wie Religion, Staatsangehörigkeit, sexuelle Orientierung, ethnische Zugehörigkeit oder soziokultureller Hintergrund sind in den Regelwerken noch deutlich unterrepräsentiert.
Unionsrechtlich ist maßgeblich, dass der Europäische Gerichtshof positive Maßnahmen zur Beseitigung tatsächlicher Benachteiligungen grundsätzlich als zulässig erachtet, sofern sie verhältnismäßig sind und keine starre oder automatische Bevorzugung einzelner Gruppen begründen. Diese Rechtsprechung bildet die dogmatische Grundlage für Gleichstellungspläne, Frauenförderungsprogramme und diversitätsorientierte Personal- und Organisationsentwicklung im österreichischen Hochschulsektor. Für die innerstaatlichen Hochschulsektoren ergibt sich daraus ein rechtlicher Rahmen, der DEI-Maßnahmen nicht nur erlaubt, sondern in vielen Bereichen ausdrücklich verlangt. Zugleich unterliegen auch diese Maßnahmen der verfassungs- und unionsrechtlichen Kontrolle und müssen rechtsstaatlichen Anforderungen genügen.
Lessons learned – Schlussfolgerungen für den österreichischen Hochschulsektor
- Rechtliche Fundierung ist zentral:
DEI-Programme sollten stets klar an gesetzliche Gleichstellungsaufträge, sachliche Zielsetzungen und empirisch belegbare Benachteiligungen anknüpfen. Eine präzise rechtliche Begründung erhöht ihre Bestandsfestigkeit. - Governance und Dokumentation:
Hochschulen sollten Entscheidungsgrundlagen, Zieldefinitionen und Wirkungsanalysen von DEI-Maßnahmen systematisch dokumentieren. Dies dient sowohl der internen Qualitätssicherung als auch der rechtlichen Absicherung.
